Was ist eigentlich gutes Licht?

Diese Frage entscheidet massgeblich über Wohlbefinden in einem Raum. Ein Crashkurs mit Thomas Lack von Neuco.

Mit der perfekten Lichtstimmung ist es wie mit einem hundertjährigen Rezept: Selbst wenn man sämtliche Zutaten und die richtige Mischung kennt – damit es wirklich gelingt, braucht es viel Erfahrung und Fingerspitzengefühl. Licht ist eines der wichtigsten Elemente in der Architektur und Innenarchitektur. Licht ist Sehen. Licht ist Aufmerksamkeit. Licht ist Emotion. Und um diese Emotion positiv zu besetzen, braucht es grosses Können. Thomas Lack, zuständig für Lichtanwendungen bei der Neuco, gibt Einblick ins Geheimrezept perfekter Lichtstimmungen.

Von Technik und Schönheit

Dafür muss man zunächst Folgendes verstehen: Eine Lichtplanung beinhaltet immer eine quantitative und eine qualitative Komponente. Die quantitative Lichtplanung beschäftigt sich mit dem technischen Teil – Lux, Gleichmässigkeit, Leuchtdichten –, qualitative Lichtplanung hingegen mit der emotionalen Komponente des Lichts – Brillanz, Dreidimensionalität, Farbwiedergabe. «Klar ist, in der konkreten Anwendung müssen sich beide perfekt ergänzen», erklärt Thomas Lack. Nicht zu vergessen die inszenierte Lichtplanung, welche jedoch meistens der reinen Inszenierung von Objekten dient oder als Lichtkunst eingesetzt wird. Sie soll Gebäude, Räume, Objekte aufwerten und Aufmerksamkeit erzielen.

Der quantitative Teil der Lichtplanung wird in der EN-Norm 12464-1 bis ins Detail geregelt. Interessant: In der jüngsten Ausgabe der Norm geht es nicht mehr nur ums rein Technische, es fliessen erstmals auch qualitative Aspekte mit ein. «Weil man entdeckt hat, dass sich durch eine ganzheitliche, also vor allem auch qualitative Lichtplanung energietechnische Vorteile ergeben», sagt Thomas Lack. Und er ist überzeugt: «Die quantitative Lichtplanung allein reicht gerade einmal für rein technische Umsetzungen. Aber sobald es um wirklich schöne, emotionale Lichtstimmungen geht, braucht es viel mehr, zum Beispiel das Wissen um Wahrnehmungspsychologie, Tageslichtverlauf, Lichtfarbe und Schattigkeit.»

Von Natur und Kunst

Die Menschen unterscheiden sich kaum in der Wahrnehmung von Licht. Am wohlsten fühlen sich die meisten bei blauem Himmel und Sonnenschein, selbst im Schatten sitzend, und zeitlich am späteren Nachmittag. Eine Lichtstimmung, welche die Sinne schärft, weil sie alles sichtbar macht, dreidimensional und farbig. Die meisten Menschen empfinden dieselben Lichtstimmungen als gut – diese gilt es in die Kunstlichtplanung zu übersetzen. Denn Licht berührt nicht nur unsere Augen, sondern auch unsere Gefühle. Und mit Licht lässt sich gestalten. «Das ist unsere Philosophie», erklärt Thomas Lack. Er zeigt aber auch die Schattenseite auf: Eine Lichtstimmung mit diffusem, schattenlosem Licht wie an einem bedeckten Herbsttag empfinden die meisten Menschen als unangenehm. «Und doch werden solche Stimmungen leider oft in Büroräumen erzeugt, zum Beispiel mit freistrahlenden, grossflächigen Leuchten oder Lichtdecken», erklärt er. Eine Stimmung, der jegliche Dreidimensionalität fehlt und in der weder Formen, Farben noch Brillanz erlebbar sind.

Von Planung und Lichtwerkzeugen

Aber zurück zu den schönen Lichtstimmungen. In der Planung gilt es, drei Grundkomponenten zu berücksichtigen:

  • Licht zur Orientierung
  • konzentriertes Licht
  • brillantes Licht

Das Licht zur Orientierung sorgt dafür, dass man sich in einer Umgebung zurechtfindet, im Kunstlicht die minimale Beleuchtungsstärke. Konzentriertes Licht sorgt für Spannung und Aufmerksamkeit. In der Natur das Licht- und Schattenspiel an einer Wand, im Kunstlicht zum Beispiel ein Lichtkegel. Und schliesslich das brillante Licht, wie Lichtreflexionen auf einer Wasseroberfläche, im Kunstlicht erzeugt durch Kerzen oder Gobos.

Diese drei Komponenten nun in einer spannenden Lichtstimmung zu kombinieren, ist das Resultat eines hochpräzisen Prozesses. Zusätzlich fordert die qualitative Lichtplanung aber auch probates Wissen zu Wahrnehmungspsychologie, Lichtfarben im Tagesverlauf, Schattigkeit, Brillanz, Lichttechnik und den entsprechenden Lichtwerkzeugen. Damit Kleider in einer Boutique möglichst die gleichen Farben aufweisen wie bei Tageslicht oder damit ein Restaurant durch Reflexionen in den Gläsern brilliert.

Jede Lichtidee beginnt mit den Anforderungen des Nutzers. In der ersten Phase muss der Planer verstehen, wie sich der Nutzer die Stimmung in seiner Anwendung vorstellt. Erst wenn er sicher ist, den Anwender verstanden zu haben, kann er die Lichtstimmung umsetzen. Eine der grössten Herausforderungen dabei ist, Lichtstimmungen zu transportieren, bevor sie überhaupt gebaut sind. Das macht Neuco zum Beispiel mit 1:1-Simulationen in eigenen Mock-ups, in 3-D-Visualisierungen oder auch mit Objektbesichtigungen. Und schliesslich gehören zu einer seriösen Planung auch die Betriebskosten, der Unterhalt, die Wirtschaftlichkeit sowie Normierungen und Energielabels.

Und wann ist Thomas Lack wirklich zufrieden mit seiner Arbeit? «Erst wenn der Mensch sich in der Lichtstimmung wohlfühlt», sagt er.

Ein Exkurs zu brillantem Licht

Die dritte Komponente der Lichtplanung – brillantes Licht – spielt in der Komposition von stimmungsvollen Lichtinszenierungen eine zentrale Rolle. Weil sie auf den Menschen einen besonders positiven Effekt hat. Grund genug, Thomas Lack zu diesem Thema noch etwas mehr auf den Zahn zu fühlen.

Aber was verstehen wir eigentlich unter Brillanz? «Brillanz ist nichts anderes als die Spiegelung einer Lichtquelle auf einer Oberfläche», erklärt er und gibt gleich ein Beispiel. «Stellen Sie sich vor, Sie schauen in einen Spiegel, über dem eine freistrahlende Halogenlampe hängt. Was passiert: Ihr Blick wird über den Spiegel umgelenkt, und Sie schauen direkt in die offene Halogenlampe. Wenn Sie genug lange in die Lampe blicken, reagiert das Auge mit Adaption und passt sein Helligkeitsempfinden an. Nach einiger Zeit werden Sie sogar den Brennerwendel erkennen können», erläutert Thomas Lack die Entstehung von Brillanz. Spiegelung ist ein Produkt des Brechungsindexes. An der Grenzfläche zweier Medien mit unterschiedlichem Brechungsindex wird Licht gebrochen und reflektiert. Dabei nennt man das Medium mit dem höheren Brechungsindex das optisch dichtere.

Die Brillantgeschichte

Diesen optisch schönen Effekt haben die Menschen schon vor mindestens 2000 Jahren entdeckt. Wertvolle Dinge, im Speziellen Metall und Steine, wurden schon früh poliert, um sie zum Glänzen zu bringen. Edelsteine, vor allem Diamanten, wurden bereits im 16. Jahrhundert mit einem Brillantschliff mit 34 Flächen versehen. Das Prinzip des Brillantschliffs: Neben der Berücksichtigung von Proportionen und Ästhetik schliff man den Edelstein oder Diamanten so, dass immer mindestens eine Fläche das einfallende Licht zum Betrachter hin reflektierte – und den erwähnten Effekt erzeugte. Als Lichtquellen dienten damals die Sonne oder in Innenräumen das offene Feuer.

Aus dieser Geschichte – abgeleitet vom französischen Wort «brillant» für glänzend, strahlend – entstand auch der Name «Brillant» für einen geschliffenen Diamanten und das für uns gebräuchliche Wort «Brillanz». Der Diamant findet bereits seit mindestens 2000 Jahren als Schmuckstein Verwendung, doch eine gezielte Bearbeitung wurde erst ab dem 14. Jahrhundert beobachtet. Zunächst haben die Menschen aber nur die natürlichen Kristallflächen poliert, um den optischen Effekt zu verstärken. Dieser noch weitgehend in seiner natürlichen Form belassene, erste Diamantschliff wurde – seiner Charakteristik entsprechend – Spitzstein genannt. Seit Ende des 15. Jahrhunderts legte man dank der Entwicklung der Schleifscheibe immer mehr zusätzliche Facetten an. Um 1650 wurde, der überlieferung nach auf Anregung des französischen Kardinals Mazarin, erstmals ein Stein mit 34 Flächen (32 Facetten plus Tafel und Kalette) sowie gerundetem, wenn auch noch nicht kreisrundem Grundriss (Rundiste) entwickelt.

Brillanz in der konkreten Lichtidee

Der früh entdeckte optische Effekt beim Diamanten hat in der Kunstlichtplanung genau die gleiche Wirkung: Brillanz ist die Krönung jeder Lichtstimmung, speziell in den Anwendungen Gastronomie, Kunst und Präsentation.

Ohne Brillanz tendieren die meisten Lichtstimmungen zu Fadheit, Spannungslosigkeit und Verdruss. Bei jedem Projekt gilt es deshalb zu prüfen, ob in den betreffenden Nutzungszonen Brillanz vorhanden ist. Wie geht das? «Jeder, der Licht plant, anwendet oder nutzt, kann dies mit der Frage nach dem Designfaktor tun. Der Designfaktor von Lichtquellen bezieht sich nicht auf deren Aussehen, es ist eine Kennzahl, welche den aus der Lampe austretenden Lichtstrom in Relation zur Austrittsfläche stellt», erklärt Thomas Lack. Und er präzisiert weiter, indem er die Situation kurzerhand auf ein Blatt Papier skizziert: «Eine grosse, im Innenraum gebräuchliche Lichtquelle kann bei normaler Anwendung niemals brillante Effekte erzielen. Einen hohen Designfaktor erzeugt hingegen eine Halogen-Niedervolt-Lampe mit über 25 Lumen pro Quadratmillimeter Austrittsfläche. Und das Gegenteil: T5-Fluoreszenzlampen mit weniger als 0,04 Lumen pro Quadratmillimeter Austrittsfläche besitzen überhaupt keinen Designfaktor.»

Brillanz ist die Krönung jeder Lichtstimmung, speziell in den Anwendungen Gastronomie, Kunst und Präsentation.

Glanzleistungen mit Sterneffekt

Optimale Brillanz entsteht durch möglichst kleine, «giftige» Reflexionssterne auf allen möglichen Glanzflächen – Metalle, Glas, Glanzoberflächen oder auch veredelte Textilfäden in Stoffen. Diese Reflexionssterne können nur durch kleine, starke Lichtquellen mit hohem Designfaktor erzielt werden. «Denken Sie an das Beispiel mit der freistrahlenden Halogenlampe im Spiegel – jetzt ersetzen Sie die Halogenlampe durch eine Fluoreszenzlampe und Sie werden im Spiegel die lange, grosse Lichtquelle sehen, die eine Linie, aber keinen Sterneffekt erzeugt», sagt Thomas Lack. «Ein Fehler, der oft gemacht wird, ist der Versuch, Brillanz durch schlecht abgeblendete Leuchten zu erzeugen», erklärt er weiter. «Das funktioniert nur theoretisch, denn in der Praxis wird die entstehende Schleierleuchtdichte den gewünschten Effekt überlagern und dadurch unwirksam machen.» Die Schleierleuchtdichte erzeugt überlagerte Bilder im Auge und verhindert das Erkennen von Nuancen. Es reicht also nicht, einfach die richtigen Leuchten einzusetzen, optimales brillantes Licht muss immer auch präzise geführt und geplant werden.

Von der Natur inspiriert

Wie so oft sind die schönsten Lichtstimmungen mit brillantem Licht der Natur entlehnt. Eine typisch brillante Lichtstimmung in der Natur entsteht zum Beispiel durch Sonneneinstrahlung auf Eis, nasse Steine, durch nasse und glänzende Blätter, Wellen, brechendes Wasser und Tautropfen. Beispiele von Lichtquellen und Leuchten für die praktische Umsetzung von Lichtstimmungen ohne Brillanz (unvollständige Aufzählung):

  • Fluoreszenzlampen T5, T8, TR, TC (Designfaktor der 35 W-T5-Lampe: 0,04 lm/mm2)
  • Grossflächenleuchten mit opaler Abdeckung (Designfaktor: kleiner als 0,04 lm/mm2)
  • Lichtdecken als Hauptbeleuchtung (Designfaktor: kleiner als 0,04 lm/mm2)
  • Opalwannenleuchten (Designfaktor: kleiner als 0,04 lm/mm2)

Und einige Beispiele von Brillanz erzeugenden Lichtquellen mit hohem Designfaktor (unvollständige Aufzählung):

  • LED einzel Chip 3,75 W, 3000 K (Designfaktor: 11,1 lm/mm2)
  • Halogen-Metalldampflampen HIT 35 W, 3000 K (Designfaktor: 15,27 lm/mm2)
  • Halogenlampen 75 W QT 12 klar (Designfaktor: 27,2 lm/mm2)

Leider ist die brillanteste Lampe, die Halogen-Niedervoltlampe, heute aus ökologischer Sicht kritisch. Aber die gute Nachricht ist: Die Halogen-Metalldampflampen und LED-Lampen neuster Generation können bereits heute diese Lücke schliessen und werden auch laufend weiterentwickelt, um in Sachen Brillanz und Farbwiedergabe
noch konkurrenzfähiger zu werden. Die meisten neuen Leuchtengenerationen, wie zum Beispiel TriTec, sind bereits für die neuen Technologien konzipiert.

Thomas Lack, Leiter Lichtanwendung, tut seit Jahren nichts anderes, als die schönsten Lichtideen für seine Kunden zu entwerfen. Und dabei hat er klare Prinzipien. Wie eigentlich auch sonst im Leben.
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